Wann bezeichnet man sich als gesund und wann als krank?
Gibt es klare Richtlinien oder Mess-Daten, die festlegen, wann ein Mensch als gesund und wann als krank gilt und wer legt diese fest?
Was wissen wir über die Ursache von Gesundheit und Krankheit?
Die Reihe der Fragen liesse sich fortsetzen, sie sind doch letztlich nur ein Hinweis darauf, dass es offensichtlich nicht so einfach ist, die Begriffe «Gesundheit» und Krankheit» sowohl allgemeingültig als auch hinlänglich eindeutig und konkret zu definieren.
Pflegende gehen tagtäglich mit dem Phänomen von Gesundheit und Krankheit um. Es gehört damit zu ihren zentralen Aufgaben, gemeinsam mit anderen Berufsgruppen, die Auswirkungen von Krankheit zu lindern und – wenn irgend möglich – den Gesundungsprozess der ihnen anvertrauten Menschen zu fördern. Dabei sind sie in sehr unterschiedlicher Ausprägung mit den jeweiligen « gesunden» und «kranken» Anteilen ihrer Patienten konfrontiert.
Die Diskussion über die Frage: Wann ist ein Mensch gesund, wann krank? Wird bis heute mit beeinflusst durch eine Definition von Gesundheit, die bereits 1946 von der WHO sinngemäss so formuliert wurde:
Gesundheit ist ein Zustand des völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen.
Gesundheit ist nach dieser Definition also offenbar mehr als die blosse Abwesenheit von Krankheit, Gesundheit lässt sich positiv für den einzelnen Menschen definieren, und diese individuelle Definition kann jeweils sehr unterschiedlich ausfallen. Denn: Bei gleichen, vermeintlich objektiven, gesundheitlichen Gegebenheiten fühlen sich einige Menschen eher gesund bzw. nur wenig beeinträchtigt, während andere hauptsächlich die kranken bzw. die beeinträchtigenden Anteile in sich verspüren. Damit zusammen hängt die Häufigkeit der Inanspruchnahme professioneller Hilfe, z.B. bei einem Arztbesuch.
Dieses Kapitel wird sich daher u.a. auch damit beschäftigen, möglichen Ursachen des individuellen Sich-gesund- bzw. Sich-krank-Fühlens nachzugehen. Damit eng verbunden ist die Frage der «Grenzziehung» zwischen «gesund» und «krank» - eine Frage, die auch professionell Pflegende, z.B. im Rahmen der Pflegeplanung, immer wieder beschäftigt.
Besonders deutlich wird die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen «gesund und krank» bei chronischen Erkrankungen. So gilt z.B. ein Mensch mit einem Diabetes mellitus, auch wenn er medikamentös optimal versorgt wird und sich eigentlich relativ gesund fühlt, medizinisch als chronisch krank.