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Para- / Tetraplegie

Para- / Tetraplegie

Was ist Tetra- und Paraplegie?

Bei einer Tetra- oder Paraplegie liegt eine Schädigung des Rückenmarks und gegebenenfalls auch eine Verletzung der Nervenwurzeln, welche im Wirbelkanal verlaufen, vor. Die Schädigung tritt durch die Kontinuitätsunterbrechung der aufsteigenden und absteigenden Bahnen ein. Oftmals besteht der Irrtum, dass bei einer Querschnittslähmung die Wirbelsäule verletzt wurde, dabei handelt es sich um die Beschädigung des Rückenmarks. Da bei einer erwachsenen Person das neurologische Segment nicht mit dem Wirbelkörper identisch ist, muss dies bei der Bestimmung der segmentalen Läsionshöhe beachtet werden. Die Läsionshöhe ist die Stelle des Rückenmarks und bestimmt, welche Extremitäten gelähmt sein werden. Dies ist entscheidend bei der Definition des Tetra- oder Paraplegiker.

Unterschied Tetra- und Paraplegie

Bei einer Tetraplegie sind alle vier Gliedmassen gelähmt, die durch eine Schädigung im Halsmarkbereich ausgelöst wird. Die Paraplegie hingegen kommt durch die Verletzung im Brust- und Lendenmarkbereich zustande und lähmt die unteren Extremitäten (Beine und Teile des Rumpfes).

Komplette oder inkomplette Tetraplegie

Je nach Ausmass der Schädigung, ob das Rückenmark vollständig oder nur teilweise zerstört wurde, unterscheidet man zwischen kompletter und inkompletter Tetra- und Paraplegie. Bei einer kompletten Läsion besteht eine völlige Kontinuitätsunterbrechung der Leitungsfunktion des Rückenmarks, dies gilt sowohl für Impulse vom Gehirn zur Peripherie als auch umgekehrt. Bei einer inkompletten Läsion ist diese Leistungsfunktion noch partiell vorhanden, wobei Variationen von nahezu keinem bis zur völligem Ausfall möglich sind.

Ursachen und Zahlen zur Querschnittslähmung

Die Ursachen für eine Tetra- oder Paraplegie sind verschieden. Die NOVAN (2018) berichtet, dass ein Grossteil der Fälle (50 – 60 %) beider Arten von Querschnittslähmungen durch ein Trauma ausgelöst werden. Laut der Schweizer Paraplegiker Gruppe (2021) sind 43 % der Unfälle auf Stürze, 27 % au Sportunfälle und ebenfalls 27 % auf Verkehrsunglücke zurückzuführen. Neben eines Traumas können auch Krankheiten zu einer Tetra- oder Paraplegie führen. Die Schweizer Paraplegiker Vereinigung (2010) berichtet von einer Zunahme der krankheitsbedingten Querschnittslähmung. Erkrankungen wie beispielsweise Tumorerkrankungen, Infektionen oder Multiple Sklerose können häufige Auslöser für eine Tetraplegie sein.

  • Von den Erstrehabilitations-Patienten sind 46 % Paraplegiker und 54 % Tetraplegiker (Schweizer Paraplegiker Vereinigung, 2021)
  • 32 % sind Frauen und 68 % sind Männer (Schweizer Paraplegiker Vereinigung, 2010)

Wie wirkt sich eine Lähmung auf den Körper aus (Symptome)?

  • Ausfall von Gefühlsqualitäten wie Oberflächen-, Schmerz-, Temperatur- und Tiefensensibilität
  • Verlust willkürlicher Muskelbewegungen durch fehlende Innervation der quer gestreiften Skelettmuskulatur
  • Ausfall von Fremd- und Eigenreflexen
  • Verlust der Eigenkontrolle über Blasen- und Mastdarmfunktion
  • Vorübergehende oder zum Teil bleibende Funktionsschädigungen vegetativer Bahnen, Beeinträchtigung der Kreislauf-, Atem- und Wärmeregulation

Bedeutung für den Querschnitt-Patienten

Die Einzigartigkeit der Querschnittlähmung besteht darin, dass aus voller Gesundheit heraus akut eine grundlegende und oft irreversible körperliche Veränderung eintritt. Diese Veränderung beeinflusst wesentlich das Selbstwertgefühl des Patienten. Unterhalb der Rückenmarkschädigung versagt der Körper den Dienst. Der Betroffene erlebt, dass sich im geschädigten Bereich nichts mehr bewegen lässt und dass er nichts mehr fühlt. Der gefühl- und funktionslose Körperabschnitt ist noch verstärkt anfällig gegenüber zusätzlichen Schädigungen. Mit einem Schlag wird er aus seinem vertrauten Lebenskreis herausgerissen. Viele Pläne und Erwartungen für die Zukunft werden auf einmal infrage gestellt. Dem Betroffenen wird diese Tatsache aber erst nach und nach bewusst. In den ersten Tagen und Wochen befindet sich der Patient in einer Art psychischen Starrezustand, der alle Eindrücke abprallen lässt. Ein Gefühl des Unwirklichen, Traumhaften steht im Vordergrund. Das Erleben von Abhängigkeit bei der Blasen- und Darmentleerung oder Hilfeleistungen beim Essen, Trinken, Nase putzen führt bei den Betroffenen in einem hohen Masse zu Irritationen und Angstfantasien.

Hilfsmittel für ein selbständiges Leben

Paraplegiker: innen können weitgehend ein selbstständiges Leben führen, nicht zuletzt dank unterschiedlichen Hilfsmitteln. Tetraplegiker: innen hingegen sind oftmals von Pflegepersonen abhängig, aber auch in diesem Fall können unterschiedliche Hilfsmittel dazu führen, die Gesamtsituation für die Betroffenen angenehmer zu gestalten. Nachfolgend einige Beispiele an möglichen Produkten:

Rollstuhl/Elektrorollstuhl: Paraplegiker: innen haben meistens einen Aktivrollstuhl, aber auch spezielle Sportrollstühle können nach Bedarf infrage kommen. Für Tetraplegiker: innen können Elektrorollstühle mit individueller Steuerung beispielsweise über das Kinn zusammengestellt werden.

Zubehör Rollstuhl: Da der Antrieb von Aktivrollstühlen über den Greifreifen erfolgt, benutzen viele Paraplegiker: innen Rollstuhlhandschuhe. Auch ist es wichtig, durch das lange Sitzen im Rollstuhl mit einem Antidekubitus-Sitzkissen Druckstellen vorzubeugen. Für die kälteren oder regnerischen Tage könnte auch einen Regenponcho oder Schlupfsack eine Option sein.

Inkontinenz: Urinbeutel, InkontinenzbezügeUrinflasche

Mobilität im und um das Haus: Damit die Wohnumgebung barrierefrei gestaltet werden kann, können Treppenlifte, Deckenlifte, Rampen oder Patientenheber unterstützend sein. Um den Transfer beispielsweise vom Rollstuhl in das Auto oder in einen Sessel zu vereinfachen, gibt es Transferbretter.

Lagerung eines Patienten mit Verdacht auf Querschnittlähmung

Besteht der Verdacht einer Querschnittlähmung oder Verletzung der Wirbelsäule, so ist bei der Bergung als auch beim Umlagern des Verletzten jede abrupte Bewegung und Abknickung der Wirbelsäule zu vermeiden. Für das Umlagern werden mindestens drei Hilfspersonen benötigt, bei Halswirbelsäulenverletzungen muss eine vierte Person den Kopf des Verletzten gerade und gestreckt halten. Mit dem Halsschienengriff wird eine genügende Stabilisierung möglich und eine gefährliche Achsenknickung oder Drehbewegung zwischen Kopf und Rumpf vermieden. Die Pflegeperson steht oder kniet hinter dem Kopf des Patienten, die rechte Hand wird auf der Schulter abgestützt und die Finger umfassen den Nacken, die linke Hand hält den Kopf fest und scheint ihn am rechten Unterarm. Dann erfolgt das Anlegen einer steifen Halskrawatte.

Geschichte

Über Jahrtausende stand die Medizin dem Problem der Querschnittlähmung machtlos gegenüber. Die erste eindrucksvolle Schilderung einer traumatischen Rückenmarkverletzung ist nahezu 4500 Jahre alt. Die detaillierte Beschreibung einer Halsmarklähmung (Tetraplegie) eines ägyptischen Militärarztes findet sich im Lehrbuch der «Wundarzneikunst»: «Man findet den Patienten ohne Bewusstsein seiner beiden Arme und Beine, sein Penis ist erigiert und Harn träufelt auf seinem Glied, ohne dass er es spürt. Das ist ein Leiden, das nicht behandelt werden kann. Man muss den Kranken seinem Schicksal überlassen.» Diese fatale Auffassung bestand bis zum Jahre 1944. Sir Ludwig Guttmann, der 1939 von Deutschland aus nach England emigrierte, eröffnete dort in Stoke Mandeville das erste Querschnittzentrum der Welt. Zum gleichen Zeitpunkt entstanden in Amerika Querschnittabteilungen unter der Leitung des Amerikaners Prof. Bors. Guttmanns Ziel war der Aufbau eines umfassenden Rehabilitationsdienstes, mit sachgemässer Frühbehandlung, um die zum frühen Tod führenden Komplikationen zu vermeiden. Seine Behandlungsprinzipien haben auch heute noch für die Akutversorgung der traumatischen Querschnittlähmung in den Spezialzentren ihre Gültigkeit, unabhängig davon, ob eine Indikation für frühzeitige operative Stabilisierungsmassnahmen gegeben ist (Gerner 1992). Guttmann und Bors zeigten, das bei einer konsequent durchgeführten und problemorientierten Behandlung ein Patient mit einer Querschnittlähmung weiterleben konnte, und das nicht nur im Sinne blossen Vegetierens, sondern eins sinnvollen Lebens mit allen sozialen Konsequenzen.

Quellen

Schewior-Popp, S., Sitzmann, F., Ullrich, L. (2020). Thiemes Pflege: Das Lehrbuch für Pflegende in der Ausbildung. 15. Auflage. Stuttgart: Thieme (Verlag).

Paraplegiker-Gruppe (2021). Zahlen und Fakten: Interessante Zahlen zur Schweizer Paraplegiker-Gruppe. Abgerufen von https://www.paraplegie.ch/de/ueber-uns/organisation/zahlen-und-fakten/.

NOVAFON (2018). Tetraplegie – Ursachen, Folgen und Therapieansätze. Abgerufen von https://www.novafon.ch/tetraplegie-ursachen-folgen-und-therapieansaetze/.

Schweizer Paraplegiker Vereinigung (2010). Querschnittlähmung. Abgerufen von https://www.spv.ch/__/frontend/handler/document.php?id=245&type=42.

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